Backhauswagen

vom Rathausblock

Einen Holzfeuer-betriebenen Backofen anzuheizen Bedarf Zeit, wie auch das Zubereiten des Brotteigs. Im Gegensatz zum schnellen Brötchen auf die Hand, scheint ein solches Verfahren hinterweltlich. Erst im zweiten Moment offenbart sich, dass auch in der gegenwärtigen Stadt Pflege und Zeit wichtige Inhaltsstoffe sind, die unser Stadtbild prägen.

Seit einem Jahrzehnt befeuern aktive Bürger*innen-Initiativen die öffentliche Diskussion über die Zukunft des Rathausblocks, um daraus inzwischen ein Modellprojekt der Stadtentwicklung gemacht zu haben, das sich der kooperativen Beteiligung von Stadtgemeinschaft, Entwickler*innen und Verwaltung verschreibt. In dem offenen Prozess steht nun vor allem fest, dass sich auf dem weitläufigen Gelände im Zentrum von Berlin, zwischen Kreuzberg und Schöneberg, in den nächsten Jahren alles ständig in Veränderung befinden wird.

Um in der Baustellensituation die Möglichkeit zu schaffen die Auseinandersetzung mit materiellen und nicht-materiellen Prozessen auch an Ort und Stelle zu verlegen, bietet der Backhauswagen eine kleine Entität Grundversorgung und Aufenthaltsqualität durch die Produktion von Brot, Backwaren und eines gemeinschaftlichen Back- und Kochmomentes.

Im jeweiligen Hier und Jetzt bietet er die Möglichkeit Gemeinschaft zu bilden und aus der Gegenwart über die Zukunft zu sprechen, zu planen und Forderungen zu formulieren. Wenn ein neuer Bauabschnitt beginnt, wird der Backhauswagen versetzt, anpassungsfähig an die Dynamik der Entwicklung, die zum jetzigen Stand noch nicht abzusehen ist.

Als nomadischer Ort kann die Bäckerei auf Rädern das Areal erschließen und Ideen in die Nachbarschaft tragen, aber auch Menschen erreichen, um sie mit dem Rathausblock in Verbindung zu bringen. Das willkommene Erzeugnis, die Backwaren, transportieren ein Stück ihrer Herkunft in die Stadt, denn Brot trägt neben der Bedeutung als nährende Basis auch die einer gemeinschaftlichen Aktivität: die Herstellung der Teige, die Pflege und das Tauschen von Sauerteig-Kulturen und der aufregende Moment des gemeinsamen Backens mit Feuer verbinden potentiell auch über konflikthafte Ansichten hinweg. In diesem Sinn soll der mobile Ofen ein aktiver sozialer Treffpunkt für bereits Beteiligte, Anwohner*innen und interessierte Bürger*innen sein.

Der Backhauswagen gehört in eine Serie von “Baking Futures”-Öfen. Sein Vorgänger-Ofen, der “Alles Anders Dorf Ofen” von “Baking Futures I” am Haus der Statistik am Alexanderplatz oder “Alles Anders Platz” wurde im Sommer 2019 gebaut und ist seitdem regelmäßig durch verschiedene Bäcker*innen-Gruppen in Benutzung. Die grundlegende Idee der Öfen ist immer dieselbe: Menschen verbinden, Orte erschließen, an Prozessen teilhaben. Doch jeder der Öfen bezieht sich auf seinen eigenen Kontext und die Geschichte des Ortes und wird dadurch auch in Form und Funktionalität angepasst. Zusammen sollen die geplanten und zukünftigen Öfen ein Netzwerk von aktiven, diskursiven und kulinarischen Gemeinschaftsorten in der Stadt bilden.

Der Backhauswagen vom Rathausblock wurde im Rahmen des Projekts Baupalast Phase III gebaut und in Betrieb genommen. Basis für den Backhauswagen vom Rathausblock sind traditionelle Bauweisen von Brotbacköfen (Schamottesteine). Zusätzlich wollen wir durch den Einsatz zeitgenössischer Materialien und Fügungstechniken die Bauweise weiter entwickeln: eine Mischung aus low-tech und high-tech Konstruktion ist notwendig, insbesondere da der Ofen mobil, multifunktional und gleichzeitig leicht bedienbar ist. Er bietet neben dem Backraum des Backofens auch eine Räucherkammer, sowie Platz zum Arbeiten, Verstauen und Garen der Brote. Das gemeinschaftliche und offene Bauformat war so angelegt, dass während eines Bau-Workshops auf der Grundlage von Plänen mit unterschiedlicher Expertise gebaut wurde und die Details zum Teil vor Ort entwickelt wurden (design-building).

Realisierung: September 2020
constructlab & bakingfutures
Im Rahmen der “Baupalast Phase 3”

Gefördert von:
Fonds Soziokultur
anstiftung

Unterstützt von:
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
Städtebauförderung von Bund, Ländern & Gemeinden

Image Credits: Johanna Dehio, Mascha Fehse, Andries de Lange, Rahel Jacob