ARGE unmittelbare Nachbarschaft

Arbeitsgemeinschaft für Gestaltungsräume um das MKG

Über den Steintorplatz oder die Altmannbrücke kommend, vorbei an hohen Gebäuden, hinweg über Gleise und unzählige Fahrspuren – wer sich im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) befindet, ist Teil dessen, womit sich dieser, von ConstructLab konzipierte Ausstellungsbereich der Social Design Ausstellung beschäftigte (29.03. – 27.10.2019): der unmittelbaren Umgebung des Gebäudes.

Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, zu seiner Bauzeit eingebettet in einem großen Park, steht jetzt, bedingt durch die stetige Veränderung der Stadt, an schroffen Ufern der urbanen Brandung. Es erscheint als eine befestigte Insel zwischen Gleisen, breiten Straßen, Brücken, Wällen, Bus- und Hauptbahnhof, weniger als ein Stadtteil, denn als ein Raum des Dazwischens, ein Meer von Transiträumen, das verbindet und trennt.
Zwei gegenläufige Bestrebungen prägen den beobachteten Raum – das Einladen und das Verwehren. Die gebaute Umwelt im Bereich das MKG betrachtend, fällt auf, wie sporadisch und scheinbar willkürlich Objekte, die Sitzgelegenheiten bieten, zu finden sind, obschon die Parks, Plätze und Grünflächen eigentlich zum Verweilen einladen. Gestaltung findet hier durch Weglassen statt. Ein Bautyp, der hingegen die Umgebung bestimmend mitgestaltet, ist der Zaun.
Orte, Objekte, Akteur*innen, Gruppierungen und Wegebeziehungen der Umgebung wurden kartiert, um verschiedene Handlungsfelder und Optionen für gestalterisches Arbeiten zu benennen. Während der Ausstellung brachten Workshops und Veranstaltungen wie Einladungen zu gemeinsamen Picknicks, Filmvorführungen und runde Tische unterschiedliche Nachbar*innen, Akteur*innen und Studierende zusammen und beschäftigten sich prozesshaft mit diesen Gestaltungsräumen. Die Gestaltung trat dadurch in den konkreten Dialog mit ihrem Umfeld. Es wurde recherchiert, protokolliert, skizziert, fotografiert und beobachtet, wie sich Veränderungen auf die Umgebung auswirken. Es entstanden Prototypen, Konzepte und Bilder, die die Notwendigkeit einer Vielfalt und Vielheit von Gestaltungsansätzen zeigen.

Zu der direkten Nachbarschaft des MKG gehört auch das „Drob Inn“ des Jugendhilfe e.V. mit seiner Kontakt- und Beratungsstelle und integrierten Drogenkonsumräumen, sowie einem tristen Vorplatz, auf dem sich im Laufe eines Tages bis zu 400 Konsument*innen aufhalten. Gemeinsam mit den Betreiber*innen und Klient*innen des Drob Inn, aber auch mit Vertreter*innen von Behörden, städtischen Betrieben und anderen Institutionen diskutierten ConstructLab und das MKG, wie sich der Aufenthalt vor dem „Drob Inn“ menschenfreundlicher gestalten lässt: Was sind die Bedürfnisse der Klient*innen und wie kann man ihnen mit Gestaltung besser entsprechen und auch die Belange der Nachbarschaft berücksichtigen?

Das MKG kooperierte mit ConstructLab, um sich auf konstruktive und prozessorientierte Weise seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu widmen und sich damit über die inklusive Arbeitsweise gemeinsamen Bildern und Gestaltungsvisionen anzunähern. Sichtweisen überlagerten sich in der Ausstellung und in den im Vorhinein und parallel laufenden Workshops und informierten einen Prozess mit dem Ziel einige permanente, neue Gestaltungselemente auf dem Vorplatz zwischen MKG und Drob Inn zu errichten, die einen menschenwürdigen Aufenthalt ermöglichen, vor allem aber auch über das gemeinsame Arbeiten eine achtsame Haltung aller in diesem Raum verbundenen Akteur*innen und Nachbar*innen zu schaffen. Diese Gestaltung hat eine ausführbare Form erlangt und wird von den beteiligten Behörden bearbeitet.
Die Gegensätze an diesem Ort sind markant: es bedarf gleichsam pragmatischer, unzerstörbare Antworten auf existenzielle Bedürfnisse und den kreativen, aufgeschlossenen Umgang mit einem stigmatisierten Raum. Durch den vielschichtigen Ansatz wurde versucht beides parallel, die gegenseitigen Widersprüche zulassend und aufzeigend zu adressieren. Daneben würdigte die Ausstellung auch die erfolgreiche Arbeit des Drob Inn, durch die Lesart als Social-design-Beispiel, und das Recht der Klient*innen des Drob Inn auf einen Raum in der Stadt.

Termine:

5.2.2019: Ideenfindungsworkshop mit Drob Inn + Constructlab

13./14.2.2019: Workshop Teil II: Constructlab mit Mitarbeiter*innen des Drob Inn und Workshop Teil III: Constructlab mit Klient*innen des Drob Inn

23.04.2019: Kartierungs-Workshop mit Studierenden der HCU

14.05.2019: Unmittelbare Nachbarschaft; Nachdenken über den Gestaltungsraum Vorplatz Drob Inn mit Stakeholdern

16.5.2019: Spaziergang, Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Besucher*innen des MKG Hamburg

13.06.2019: Workshop: Was benötigt ein wirksamer Social Design Prozess? am MKG

21.06.2019: Installationen und performative Interventionen von Studierenden der HfbK mit Prof. Valentina Karga: das vier-tägige zeit=festival um den Tamponkiosk herum mit kuratierten Ausstellungen, Filmscreenings und neu geschaffenen temporären Sitzmöglichkeiten

Spaziergang mit Studierenden der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und Besucher*innen des MKG Hamburg

zeit=festival von Studierenden der HfbK Hamburg, Klasse Karga: Die Idee des Tampon-Kiosks beruht auf der Beobachtung, dass ca. 50 % der Menschen, die sich in diesem öffentlichen Raum aufhalten, Frauen sind, die menstruieren, und dass das Fehlen öffentlicher Toiletten dies noch erschwert.

Klasse Karga

Klasse Karga

Klasse Karga

TEAM/ Sitting possibilities: Tim Ballaschke Atu Gelovani Pertti Hagelstein Fritz von der Heydt Lis Evers Christian Schuster/ Kino: Mairen Tamar Hernandes Rojas Nele Willert Markus Kreter Babak Radmehr/ Tamponkiosk: Laura Mahnke Mu-Heng Tsai Jiho Kim Fabian Lubke/ Sport: Sebastian Tuchnitz Dennise Salinas Vazquez Jia Kim Peiyi Zhang

Image Credits: Johanna Padge, Felix Egle, Klasse Karga